Nichtsichtbare Behinderungen im Hochschulbereich

Glossar zur Themenwoche "Mehr als das Auge sieht" im Dezember 2023

Kampagnenbild der Themenwoche. Die Grafik ist zweigeteilt. Links befindet sich der Titel "Mehr als das Auge sieht" und eine türkise Grafik eines Auges auf lila Grund. Rechts befindet sich der Untertitel "Nichtsichtbare Behinderungen im Hochschulbereich" mit drei Grafiken einer leeren Batterie, eines aufgeschlagenen Buches und eines Gedankennebels in türkisen Kreisen.

Der Großteil der Studierenden mit Behinderungen ist von nichtsichtbaren Behinderungen wie chronischen Schmerzen, Lernschwierigkeiten, psychischen Erkrankungen und mehr betroffen. Aufgrund ihrer Natur werden diese oft übersehen, ihre Auswirkungen auf das tägliche Leben Betroffener können jedoch tiefgreifend sein und akademische Leistungen, soziale Interaktionen und das allgemeine Wohlbefinden beeinträchtigen. Dieses Glossar entstand anlässlich unserer Themenwoche “Mehr als das Auge sieht” im Dezember 2023 und soll zur weiteren Sichtbarmachung nichtsichtbarer Behinderungen beitragen. Es handelt sich nicht um eine vollständige Auflistung.

Depressionen

Depressionen sind mit steigender Tendenz eine der häufigsten Erkrankungen in Deutschland. Für die Diagnose sind drei Haupt- und sieben Nebensymptome relevant, die in unterschiedlichen Kombinationen auftreten können. Die Hauptsymptome sind eine depressive Stimmung bis zur Gefühllosigkeit, Interessenverlust und Antriebsmangel. 

Diese Symptome können dazu führen, dass die Lebensführung herausfordernd bis unmöglich wird. Das betrifft auch das Studium. Leistungsdruck, Konkurrenzkampf, Versagensängste und Existenzsorgen können Auslöser für Depressionen sein oder diese verstärken. 

Betroffene sollten Therapie- und Beratungsangebote der Studierendenwerke aufsuchen und sich fachliche Unterstützung oder Selbsthilfegruppen suchen.

Ein niedrigschwelliges Angebot zur Unterstützung der psychischen Gesundheit von Studierenden einiger sächsischer Hochschulen bietet das Projekt enhance.

Informations- und Hilfsangebote über die Deutsche Depressionshilfe

verwendete Literatur der Uni Hildesheim

Dyskalkulie und Dyslexie

Dyskalkulie und Dyslexie (Legasthenie) fallen in das Spektrum der Neurodivergenz (siehe Eintrag Neurodivergenz). Von Dyskalkulie oder Dyslexie wird gesprochen, wenn beim Rechnen oder beim Lesen und Rechtschreiben sehr große Schwierigkeiten auftreten, die nicht auf eine geringe Intelligenz oder mangelnde Übung zurückgeführt werden können. Dyskalkulie und Dyslexie können auch zusammen auftreten. 

Mit Dyskalkulie und Dyslexie können weitere Schwierigkeiten einhergehen, beispielsweise in der Konzentration, der Erinnerung, der Alltagsorganisation oder in der generellen Verarbeitung audiovisueller Informationen. Dyskalkulie und Dyslexie können aber auch bestimmte Fähigkeiten bedingen, beispielsweise in den Bereichen Design und Kreativität, im Problemlösen sowie in der gesprochenen Sprache.

Unterstützungangebote bietet der Bundesverband Legasthenie & Dyskalkulie e.V.

Endometriose

Bei Endometriose wächst gebärmutterschleimhautähnliches Gewebe außerhalb der Gebärmutter. Das führt zu Zysten und Entzündungen, bspw. an Eierstöcken, Darm oder Bauchfell. Betroffene leiden unter extremen Schmerzen in Bauch, Rücken und Beinen, die zu Ohnmacht führen können. Ungefähr eine von zehn menstruierenden Personen ist betroffen. Die Dunkelziffer dürfte größer sein, da Endometriose oft nicht diagnostiziert und als “normaler” Periodenschmerz abgetan wird. 

Mögliche Behandlungswege beschränken sich bisher auf die Symptombekämpfung. Daher leiden die Betroffenen in vielen Fällen ihr Leben lang an immer wieder auftretenden schwerwiegenden Beschwerden. Die psychischen Auswirkungen sind enorm: Erschöpfung, Schlafstörungen, Depressionen. Durch die chronischen Schmerzen werden die Betroffenen immobiler. Fehlzeiten und längere Krankheits-phasen führen zu Nachteilen in Schule, Ausbildung und im Beruf. Häufig führt die Erkrankung in eine Abhängigkeit von staatlichen Sozialleistungen.

Unterstützung bietet das Netzwerk Endometriose als Zusammenschluss von zwei Selbsthilfegruppen aus Dresden und Leipzig oder die Endometriose-Vereinigung Deutschland.

 

Long Covid, Post Covid und Fatigue

Long COVID bezeichnet gesundheitliche Langzeitfolgen einer SARS-CoV-2 Infektion. Dehnen sich diese Beschwerden über mehr als drei Monate nach der Infektion aus, wird von Post COVID gesprochen. Personen mit Long COVID berichten über sehr unterschiedliche körperliche und psychische Symptome. Diese treten manchmal auch erst nach der Infektion auf. Auch die Symptome von Post COVID sind insgesamt heterogen, aber viele Betroffene haben Atembeschwerden, können sich schlecht konzentrieren und sind kaum belastbar. 

Besonders oft berichten Betroffene von Post COVID von einer bleiernen Erschöpfung, die sich durch normale Erholung kaum beheben lässt: die sogenannte Fatigue. Häufig können diese Menschen den Alltag kaum noch bewältigen und leichte Anstrengung verschlechtert den Zustand, man spricht von Belastungsintoleranz. Bei vielen von Post COVID Betroffenen gehen die Beschwerden innerhalb eines Jahres zurück – das gilt jedoch leider nicht für alle Erkrankten. Unklar ist bisher, wie sich die Krankheit bei ihnen langfristig entwickelt.

Long Covid Selbsthilfegruppen

verwendete Literatur der Uni Frankfurt

Migräne

Migräne unterscheidet sich als eigenständige Krankheitsform deutlich von anderen Kopfschmerzarten. Treten die Migräneattacken häufiger und oft auch nur mit kurzen Pausen auf, kann eine chronische Migräne vorliegen. In Deutschland haben etwa 0,05% der Gesamtbevölkerung eine chronische Migräne. 

Studierende mit Migräne haben häufiger mit Attacken zu kämpfen, da Stress Migräne nachweislich begünstigt. Studentinnen sind dabei häufiger betroffen als Studenten. 

Menschen mit Migräne reagieren sensibler auf ihr Umfeld als andere Menschen und nehmen Reize teilweise sehr intensiv wahr. Dies Reize können potenzielle Trigger für Migräne sein, da sie Stress auslösen können. 

Wichtig für Studierende mit Migräne sind daher eine gute Schlafhygiene und –rhythmus, Ruhepausen, auch in intensiven Lernphasen, Bewegung und natürlich medizinische Unterstützung.

Selbsthilfegruppen der MigräneLiga e.V.

verwendete Literatur:

Box dich durch dein Studium

abbvie care

Multiple Sklerose

Multiple Sklerose (MS) ist eine autoimmune, chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems. Vereinfacht gesagt, bedeutet das, dass der Körper sich selbst angreift. Häufige Frühzeichen sind vorübergehende Empfindungsstörungen, Sehstörungen und Muskellähmungen. MS ist jedoch auch als “Krankheit mit den 1000 Gesichtern” bekannt, da sie sich in Verlauf und Ausprägung zwischen Patient*innen sehr stark unterscheiden kann. Sie gilt außerdem noch als medizinisches Mysterium. 

Weltweit gibt es etwa 2,8 Millionen Menschen mit Multiple Sklerose, in Deutschland sind es etwa 280.000. Bei Frauen tritt die Erkrankung doppelt so häufig wie bei Männern auf. 

Die Studienwahl muss auch mit MS gut überlegt sein. Betroffene müssen sich oftmals die Frage stellen, ob ihr Studienfach auch langfristig eine gute Wahl sein kann. Außerdem müssen Betroffene prüfen, ob ihr Campus für Ihre Studienzeit und mögliche auftretende Beeinträchtigungen barrierefrei zugänglich ist.

Selbsthilfegruppen gibt es auf dem MS-Portal amsel

verwendete Literatur:

MS und ich

MS Begleiter

Trotz MS

Neurodivergenz

Neurodivergenz ist ein Sammelbegriff für neurologische Variationen, die eine Art zu denken, zu fühlen, der Wahrnehmung oder Bedürfnisse bedingen, die nicht den gesellschaftlichen Erwartungen entsprechen. Das Gehirn verarbeitet Reize beispielsweise anders als bei Personen, die als neurotypisch gelten. Zu Neurodivergenz zählt unter anderem ADHS, Autismus, das Tourette-Syndrom, Hochsensibilität oder auch Hochbegabung.

Unterstützungsangebote:

Gruppe Studieren mit AD(H)S der TU Dresden

Landesverband AD(H)S Sachsen

Übersichtskarte Selbsthilfegruppen Autismus

Selbstvertretungen von Leipzig und Autismus (LunA) e.V.

Übersicht Selbsthilfegruppen für Menschen mit Tics oder Tourette-Syndrom

Neurodiversität

Neurodiversität meint das gesamte Spektrum der neurologischen Variationen, umfasst also alles Neurodivergente (siehe Neurodivergenz), sowie Neurotypische. Verknüpft mit dem Begriff der Neurodiversität ist der Ansatz, alle psychischen und neurologischen Zustände als “ok” zu sehen. Es wird also nicht von außen gesagt, dass eine Person krank oder gestört ist und sich ändern, geheilt werden oder an neurotypische Normen anpassen muss. 

Schwerhörigkeit

Menschen mit Schwerhörigkeit können Sprache oder Geräusche nur eingeschränkt wahrnehmen. Dadurch können sie im Studium mit einer Vielzahl an Barrieren konfrontiert werden. Dabei gibt es ein breites Spektrum an Hörbeeinträchtigungen, die unterschiedliche Anforderungen an Barrierefreiheit mit sich bringen. Findet die Lehrveranstaltung beispielsweise in einem stark hallenden Hörsaal eines Altbaus statt kann das Hörverstehen zusätzlich eingeschränkt werden. Das Studieren wird dann erschwert. Hörgeräte sind eine Maßnahme zur Unterstützung der Betroffenen. Es gibt jedoch eine Bandbreite weiterer Maßnahmen, wie den Einsatz von Schrift- oder Gebärdensprachdolmetschenden oder das Bereitstellen von Skripten. Oft sind diese zusätzlichen Aufgaben der Beantragung und Organisation für Nicht-Betroffene nicht sichtbar. Aber auch im Gehörgang getragene Hörgeräte sind nahezu unsichtbar.

Beratung zu Studium und Schwerhörigkeit des Deutschen Schwerhörigenbund

verwendete Literatur:

Website der Studierendenwerke

Website der Uni Marburg

Gesundheitsinformationen.de

Tinnitus

Als Tinnitus werden Ohrgeräusche bezeichnet, die anhaltend oder immer wieder über einen längeren Zeitraum auftreten. Die Beeinträchtigung durch einen Tinnitus im Alltag erleben Betroffene unterschiedlich, viele können mit dem Ohrgeräusch leben, einige aber belasten die Ohrgeräusche sehr. In diesen Fällen wird aus dem ursprünglichen Symptom „Tinnitus“ eine eigenständige Erkrankung, die psychotherapeutischer Unterstützung bedarf. Die Ursachen können vielfältig sind und sind noch nicht abschließend erforscht. Die meisten Betroffenen beschreiben emotionale Belastungen, Stress oder starke Lärmbelastung als Ausgangsszenario. Stress und psychosomatische Beschwerden treten auch unter Studierenden immer häufiger auf und somit nimmt auch das Auftreten von Tinnitus zu. 

Somit gilt es ähnlich wie bei Migräne auf Schlafhygiene und –rhythmus zu achten und andere Maßnahmen zur Stressbewältigung zu ergreifen.

Selbsthilfegruppen über die Deutsche Tinnitus-Liga

verwendete Literatur:

Website der Tinnitus-Liga